Nicht jeder Flughafen in Europa verfügt über kilometerlange Pisten wie Frankfurt, Paris oder London Heathrow. Im Gegenteil: Auf vielen kleineren Inseln, in alpinen Tälern oder abgelegenen Regionen befinden sich Landebahnen, die kaum länger als ein Fußballfeld sind. Doch trotz dieser knappen Platzverhältnisse werden sie regelmäßig angeflogen – oft sogar im Linienverkehr. Die Faszination für diese extrem kurzen Runways liegt nicht nur in ihrer spektakulären Lage, sondern auch im hohen Maß an fliegerischem Können, das sie von den Piloten verlangen. Wer hier landet, braucht Präzision, Erfahrung und nicht selten eine spezielle Zulassung. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die kürzesten Landebahnen Europas und erklären, wie Pilotinnen und Piloten mit diesen besonderen Herausforderungen umgehen.
Top 5 - Das sind Europas kürzeste Landebahnen
Die Top 5 unserer Redaktion für die kürzesten und anspruchsvollsten Landebahnen in Europa setzt sich wie folgt zusammen:
Flugplatz Courchevel (CVF) ist einer der bekanntesten und spektakulärsten Kurzbahnen in den französischen Alpen. Die Piste ist nur rund 537 Meter lang, steil geneigt und liegt auf 2.000 Metern Höhe – was die Leistung der Flugzeuge zusätzlich einschränkt. Eine Besonderheit: Es gibt keine Durchstartmöglichkeit. Wer hier landet, muss landen. Linienflüge sind nicht erlaubt, stattdessen wird der Platz von erfahrenen Privatpiloten und Chartergesellschaften angeflogen – natürlich nur mit spezieller Einweisung.
Juancho E. Yrausquin Airport (SAB) ist ein weiteres Extrembeispiel und liegt in Europas äußerstem Westen, in der Karibik. Mit nur 400 Metern gilt er als kürzeste kommerzielle Landebahn der Welt. Obwohl geografisch nicht in Europa, gehört Saba politisch zu den Niederlanden und somit zur EU. Die Landebahn liegt dramatisch auf einer Klippe – beidseitig fällt das Gelände steil ins Meer ab. Nur speziell zugelassene STOL-Flugzeuge wie die Twin Otter dürfen hier operieren.
Flughafen Helgoland-Düne (HGL) in Deutschland ist ein weiteres Beispiel. Die Piste 15/33 ist gerade einmal 480 Meter lang und liegt auf einer vorgelagerten Sandinsel in der Nordsee. Besonders herausfordernd sind Windverhältnisse und die sehr enge Platzrunde. Trotz der Einschränkungen gibt es vom Flugplatz Helgoland-Düne einen regelmäßigen Flugbetrieb – z. B. ab Nordholz oder Heide-Büsum.
Flughafen Barra (BRR) in Schottland verdient ebenfalls besondere Erwähnung. Hier landen Flugzeuge auf einem Strand – bei Ebbe. Die Länge der "Runway“ variiert je nach Wasserstand, und Starts sind nur während bestimmter Gezeitenfenster möglich. Dennoch wird Barra täglich von Twin Otters der Fluggesellschaft Loganair angeflogen.
Flughafen El Hierro (VDE) auf der kleinsten bewohnten Kanareninsel darf ebenfalls nicht fehlen. Die Start- und Landebahn ist zwar mit 1.250 Metern formal länger als andere Extrembeispiele, zählt aber aufgrund der geografischen Lage, der oft anspruchsvollen Wetterbedingungen und der Nähe zu den Bergen zu den herausforderndsten Kurzbahnen im regulären Linienbetrieb Europas. Die Piste liegt unmittelbar an der Küste, flankiert von Vulkanhängen und Steilküste. Landungen erfordern besonders bei Seitenwind höchste Konzentration. El Hierro wird regelmäßig von Binter Canarias mit ATR-72-Turboprops bedient, deren Kurzstart- und Landefähigkeiten optimal für diese Umgebung sind.
Landung erfordert Präzision der Piloten
Das Fliegen auf kurzen Landebahnen unterscheidet sich erheblich vom Routinebetrieb großer Airports. Zunächst kommen häufig sogenannte STOL-Flugzeuge zum Einsatz – das steht für "Short Take-Off and Landing“. Modelle wie die DHC-6 Twin Otter, die Pilatus PC-6 Porter oder die Let L-410 sind dafür gebaut, auf engstem Raum starten und landen zu können. Sie verfügen über robuste Fahrwerke, leistungsstarke Propellertriebwerke und große Steuerflächen, um auch bei niedrigen Geschwindigkeiten sicher manövrieren zu können.
Mindestens genauso wichtig wie das richtige Fluggerät ist die Vorbereitung der Besatzung. Viele Kurzbahnen dürfen nur mit spezieller Einweisung und in manchen Fällen sogar nur mit einem ortsansässigen Co-Piloten angeflogen werden. In Courchevel etwa ist ein separates Rating erforderlich, das nur nach einer theoretischen Schulung, mehreren Anflügen im Simulator und echten Platzrunden unter Anleitung eines Instruktors erteilt wird.
Auch die Flugplanung ist entscheidend. Auf Kurzbahnen kann es erforderlich sein, das Flugzeug mit deutlich reduzierter Zuladung zu betreiben. Das bedeutet oft, dass nur wenige Passagiere mitgenommen werden können oder weniger Treibstoff getankt wird, um das Startgewicht niedrig zu halten. Jede Landung und jeder Start muss exakt berechnet und unter optimalen Bedingungen durchgeführt werden.
Sobald der Anflug beginnt, ist höchste Präzision gefragt. Die Sinkflugwinkel sind oft deutlich steiler als üblich, die Geschwindigkeit beim Aufsetzen muss exakt stimmen. Nach dem Touchdown zählt jeder Meter: Spoiler, Bremsen und Umkehrschub kommen sofort zum Einsatz. Oft nutzen Piloten auch sogenannte "Full Stop“-Landungen, bei denen das Flugzeug gezielt auf minimale Ausrollstrecke gebremst wird.
Darum gibt es auch heute noch kurze Landebahnen
Trotz aller Herausforderungen und Einschränkungen werden kurze Landebahnen auch heute noch aktiv genutzt. Sie bieten wichtige Verbindungen zu abgelegenen Regionen, etwa auf Nordseeinseln oder in den Alpen. In vielen Fällen ist der Flugverkehr die einzige schnelle Transportmöglichkeit, insbesondere bei schlechtem Wetter oder in der Wintersaison. Hinzu kommt, dass der Betrieb solcher Flughäfen wirtschaftlich sinnvoll sein kann. Die Infrastruktur ist kompakt, die Wartungskosten sind geringer, und die Passagierzahlen liegen meist in einem planbaren Rahmen. Für Tourismusregionen wie Saba oder Courchevel bedeuten Flugverbindungen zudem einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber reinen Straßen- oder Bootsverbindungen.
Video zu den kürzesten Landebahnen
Die kürzesten Runways Europas sind mehr als nur spektakuläre Schauplätze für Luftfahrtfans. Sie zeigen eindrucksvoll, wie vielseitig moderne Luftfahrt sein kann – vom Hightech-Airliner über den sandigen Strandflugplatz bis hin zum alpinen Gebirgshafen. Was sie alle verbindet, ist der Anspruch an höchste fliegerische Kompetenz. Denn auf 400 oder 500 Metern ist kein Platz für Fehler. Jeder Handgriff muss sitzen, jede Entscheidung im Cockpit präzise und wohlüberlegt sein. Für Piloten bedeuten diese Einsätze eine Herausforderung – und nicht selten auch ein echtes Highlight ihrer fliegerischen Laufbahn. Das folgende Video zeigt die Landung auf El Hierro in beeindruckenden Bildern: