Um ein Haar wäre der 12. Juli 2000 als Tag des schwersten Flugunfalls auf österreichischem Boden in die Geschichte eingegangen. Denn einem Airbus A310-300 der deutschen Ferienfluggesellschaft Hapag-Lloyd mit 151 Menschen an Bord ging wegen gravierender Fehlentscheidungen des Kapitäns der Treibstoff aus. In meinem jüngsten Sachbuch "Hapag-Lloyd Flug 3378 – Notlandung mit leeren Tanks in Wien“ zeichne ich die dramatischen Ereignisse dieses Sommertages vor 25 Jahren nach und interviewte dafür unter anderem Passagiere des Fluges sowie den damaligen Einsatzleiter des Flughafens Wien. Außerdem beleuchte ich die spannende Geschichte der Fluglinie Hapag-Lloyd ebenso wie die des A310, eines ikonischen Flugzeugs, das auch für die Lufthansa und die AUA in den 1980er und 1990er Jahren eine große Bedeutung hatte, heute jedoch weitgehend vom Himmel verschwunden ist. Im Juil 2025 jährt sich zum 25. Mal dieses Ereignis.
Mit ausgefahrenem Fahrwerk nach München
Nach einem wunderschönen Urlaub auf der griechischen Sonneninsel Kreta wollten am 12. Juli 2000, einem Mittwoch, 143 deutsche Touristen von Chania wieder zurück nach Hannover fliegen. Kapitän ihres Fluges war ein 55-jähriger Österreicher mit rund 23.400 Flugstunden, Erster Offizier ein 25-jähriger Deutscher mit gut 2.800 Stunden im Logbuch. Eine erfahrene Cockpitbesatzung, die durch sechs Flugbegleiter ergänzt wurde. Doch kurz nach dem Start begannen die Probleme: Das Fahrwerk ließ sich (wie sich später herausstellte wegen eines Wartungsfehlers, der nicht bei Hapag-Lloyd gelegen hatte) nicht vollständig einfahren, weshalb der Kapitän entschied, es wieder auszufahren und den Flug so fortzusetzen. Den Piloten war natürlich bewusst, dass das Kerosin aufgrund des dadurch erhöhten Kraftstoffverbrauchs nicht bis Hannover reichen würde und sie entschieden daher, nur bis München zu fliegen. Eine grundsätzlich vertretbare Entscheidung. Doch die Männer im Cockpit machten einen entscheidenden Fehler. Sie verließen sich bei der Reichweitenberechnung ausschließlich auf ihr Flight Management System, das den durch das ausgefahrene Fahrwerk gestiegenen Treibstoffverbrauch allerdings nicht berücksichtigte! Der Kraftstoffvorrat nahm überraschend immer weiter ab. Der Kapitän war dadurch irritiert und beschloss deshalb, statt München nun Wien anzusteuern. Doch der Sprit wurde immer weniger, die Lage kritisch.

Verwandlung in ein rund 100 Tonnen schweres Segelflugzeug
Obwohl der junge Erste Offizier das Problem noch rechtzeitig erkannte und seinen Kapitän zu einer früheren Landung in Graz drängte, beharrte der 55-jährige Kommandant weiter auf Wien – und hätte damit seinen Airbus und die 151 Menschen an Bord beinahe in eine tödliche Katastrophe gesteuert. Denn gut 22 Kilometer vor der rettenden Landebahn 34 des Wiener Flughafens fielen dann beide Triebwerke aus und der A310 hatte sich von einem Moment auf den anderen in ein rund 100 Tonnen schweres Segelflugzeug verwandelt. Niemand in der Kabine – weder Flugbegleiter noch Passagiere – waren darauf vorbereitet. Mit viel Glück und dank der hervorragenden Unterstützung durch den Ersten Offizier, der in diesen dramatischen Momenten wesentlich mehr Situationsbewusstsein zeigte als der wesentlich erfahrenere Kollege auf dem Kommandantensitz, gelang es dem Kapitän zwar noch, das Flughafenareal zu erreichen, doch Hapag-Lloyd Flug 3378 krachte knapp 700 Meter vor der Piste auf den Boden – das Fahrwerk kollabierte und der Zweistrahler schlitterte nach links, direkt auf die bereit stehenden Helfer zu. Die Lenker der Einsatzfahrzeuge legten den Retourgang ein und brachten sich angesichts der Todesgefahr in Sicherheit, wie mir der damalige Einsatzleiter Flugnot im Interview schilderte: "Die Situation war lebensgefährlich!“

Das Flugzeug hatte lediglich noch Schrottwert
Zwei Passagiere erzählten mir für das Buch von den dramatischen Momenten vor der Notlandung und dem großartigen Verhalten der Kabinenbesatzung bei der Evakuierung. Der Aufprall war hart, so Martina B.: "Ich hab’ mir ‘ne ziemliche Beule abgeholt, als mein Kopf gegen den Vordersitz knallte.“ Frau B. steuerte für meine Publikation außerdem exklusives Fotomaterial bei, das sie unmittelbar nach der Notlandung gemacht hatte, wofür ich ihr zu großem Dank verpflichtet bin. Am Ende des Tages hatten die 151 Insassen des Hapag-Lloyd Fluges 3378 mit viel Glück überlebt – nur ein paar Leichtverletzte gab es zu beklagen. Das Flugzeug dagegen hatte lediglich noch Schrottwert und wurde nach einer komplexen Bergeaktion, von der mir erfahrene (Flughafen-)Feuerwehrleute berichteten und ebenfalls Fotomaterial für mein Buch zur Verfügung stellten, schließlich ausgeschlachtet. Der besondere Dank geht hier an die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Schwechat.
Der Vorfall wurde vor einem Gericht behandelt
Die Handlungen des Kapitäns, die beinahe zur Katastrophe geführt hatten, hatten zur Folge, dass der 55-Jährige seine Fluglizenz verlor und außerdem verurteilte ihn ein deutsches Gericht vier Jahre später wegen fahrlässigen Eingriffs in den Luftverkehr zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Bis zuletzt zeigte der frühere Kapitän keinerlei Einsicht. Er, so seine Überzeugung, habe alles richtig gemacht und wenn er die Piste nur erreicht hätte, dann wäre er als "Held“ gefeiert und „in Talkshows“ eingeladen worden. Richterin und Staatsanwalt kritisierten ihn dafür scharf, warfen dem einstigen Vorzeigepiloten "Dominanz“ vor, sprachen von dem „reinem Glück“, das er an diesem Tag gehabt habe, von einem "fliegerischen Verhalten bar jeder Vernunft“. Der Erste Offizier dagegen, der nach Erkennen des Problems seinem Kapitän Vorschläge gemacht hatte, welche die Bruchlandung in Wien abgewendet hätten, konnte seine Karriere fortsetzen, wurde Ausbilder und fliegt heute auf der ebenso ikonischen wie legendären Boeing 747.
Flug 3378 wird bis heute in Crew Resource Management Kursen vorgetragen
Wie ich bei den Recherchen zu meinem Buch „Hapag-Lloyd Flug 3378 - Notlandung mit leeren Tanks in Wien“ nicht nur im Gespräch mit dem damaligen Einsatzleiter des Flughafens Wien, der selbst außerdem ebenfalls Verkehrspilot und Instruktor ist, sondern auch mit anderen Piloten feststellen konnte, wird der Fall von Flug 3378 bis heute in Crew Resource Management Kursen vorgetragen – u. a. als Paradebeispiel dafür, wie sich ein steiler Cockpitgradient negativ auf die Flugsicherheit auswirken kann. Im Fall von Hapag-Lloyd Flug 3378 ist zum Glück noch einmal alles gut ausgegangen.
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